Gibt es ein „berechtigtes Interesse“ zur Herausgabe von Adress-Daten?

Datenschutz bei Mitgliederdaten in Vereinen
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Verlangt ein Vereinsmitglied die Herausgabe von Namen, Anschriften und E-Mail-Adressen seiner Mit-Vereinsmitglieder und kann er ein berechtigtes Interesse nachweisen, muss der Verein die Daten dem Mitglied direkt zur Verfügung stellen.

Dieses auf den ersten Blick überraschende Urteil hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im April 2023 gefällt und damit einem Urteil des Landgerichts Dortmund widersprochen. Und damit die Frage beantwortet, ob und unter welchen Bedingungen ein Vereinsmitglied die Herausgabe einer Mitgliederliste verlangen kann.

Im konkreten Fall hatte ein Vereinsmitglied von seinem Verein die Herausgabe einer Mitgliederliste mit Namen, Adressen und E-Mail-Adressen an sich unmittelbar ohne die Einschaltung eines Treuhänders verlangt. Er wollte mit weiteren Vereinsmitgliedern eigenständig in Verbindung und Diskussion treten. Grund dafür war, eine Opposition zum Vereinsvorstand aufzubauen.

Der Verein hingegen argumentierte, dass den Vereinsmitgliedern bereits ein interner Bereich zur Diskussion mit anderen Vereinsmitgliedern zur Verfügung stehe. Dieser werde allerdings auch so moderiert, dass die Beiträge sich ausschließlich auf sachliche Kritik beschränken. Die Mitglieder könnten zudem darauf vertrauen, nicht von anderen Mitgliedern über andere als die vom Verein bereitgestellten Kommunikationskanäle kontaktiert zu werden. Niemand müsse damit rechnen, dass der Verein ihre E-Mail-Adresse weitergebe.

Der Kläger beantragte den Verein zu verurteilen, ihm eine durchaus umfangreiche Liste der Vereinsmitglieder, bestehend aus den Vor- und Zunamen, bei juristischen Personen den Namen dieser juristischen Person, sowie die Anschriften und die E-Mail-Adressen, in elektronisch verwertbarer Form zu übermitteln.

Das OLG Hamm urteilte in seinem Sinne und stützte seine Entscheidung vor allem darauf, dass die Mitgliedschaft in einem Verein eine besondere Verbindung zu anderen Mitgliedern darstelle. Der Kläger habe einen aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehenden Anspruch auf Übermittlung einer Mitgliederliste mit den Vor- und Zunamen, bei juristischen Personen deren Namen, Adressen und E-Mail-Adressen der Mitglieder. Voraussetzung dafür sei, dass das Vereinsmitglied ein berechtigtes Interesse gelten machen können.

Wichtig: Hier ist nicht das datenschutzrechtlich bekannte berechtigte Interesse aus Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO angesprochen, sondern ein Anspruch aus dem Vereinsgesetz (VereinsG) und dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).

Das Gericht argumentierte, dass die Mitgliedschaft in einem Verein eine Sonderverbindung mit den anderen Vereinsmitgliedern begründe – es entstehe eine klare Rechtsgemeinschaft. Die Richter machten deutlich, dass Vereinsmitglieder mit ihrem Beitritt zu einem Verein stets einen bestimmten Zweck verfolgen und damit unter anderem auch Kontakt mit weitgehend unbekannten Mitgliedern. Und bezogen sich damit auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 21. Juni 2010 (AZ – II ZR 219/09 –).

Der Verein argumentierte dagegen, die Vereinsmitglieder wünschten, von anderen Vereinsmitgliedern in Vereinsangelegenheiten nicht weiter kontaktiert zu werden – das OLG erkannte jedoch, dass es dazu keinen tatsächlichen Anhaltspunkt gäbe. Im Gegenteil begründe die eigenverantwortliche Entscheidung jedes Mitglieds, einem Verein beizutreten, die Vermutung, auch zu der damit einhergehenden Kommunikation bereit zu sein. Man könne allerdings auch davon ausgehen, dass niemand unbegrenzt und zu jedem Thema E-Mails erhalten möchte.  

Die Argumentation des Vereins (die in erster Instanz vom Landgericht Dortmund bestätigt wurde) war, dass sich das Ausmaß der drohenden Belästigung allein dadurch bestimmen lasse, indem man schlicht die Zahl der Mitglieder heranzieht und unterstellt, dass künftig alle Mitglieder von dem entsprechenden Recht Gebrauch machen. Und weiter argumentierte, dass sodann jedes Mitglied jedem anderen kurzfristig eine E-Mail schicken würde.

Dies widerspräche jedoch aller Lebenserfahrung, so ganz klar die Richter des OLG. Freilich sei nicht auszuschließen, „dass eine Praxis, wenn sie einmal bekannt wird, künftig zu einem Problem führen kann. Das kann indes die Interessen für den vorliegenden Fall nicht bestimmen. Wenn sich ein Übermaß an E-Mails einstellen würde, lägen die Dinge anders und wären die Interessen anders zu bestimmen“.

Als Erlaubnistatbestand aus datenschutzrechtlicher Sicht zieht das OLG Hamm den Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b DSGVO heran: „Die Übermittlung der Mitgliederlisten mit den begehrten Inhalten ist aber von dem Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO gedeckt, da sie zur Erfüllung eines Vertrags, dessen Partei die betroffenen Personen sind, erforderlich ist.“

Datenschutzrecht, so argumentiert das Oberlandesgericht, ist Ermöglichungsrecht, kein Verhinderungsrecht (Anmerkung: „Danke, OLG Hamm!“). Das, was zivilrechtlich für die Vertragserfüllung erforderlich sei, ermögliche das Datenschutzrecht durchaus auch.

Aus der Argumentation und dem Urteil ist freilich nicht abzuleiten, dass grundsätzlich jedes Mitglied eines Vereins jederzeit das Recht hat, die Herausgabe der Namen, Adressen und E-Mail-Adressen aller anderen Vereinsmitglieder zu bekommen. Die Herausgabe ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft und erfordert eine sorgfältige Abwägung. Diese klare Interessenabwägung muss dabei ergeben, dass die schutzwürdigen Interessen der anderen Vereinsmitglieder (nicht des Vereins!) den berechtigten Interessen des Mitglieds, das die Herausgabe verlangt, nicht überwiegen.

Ein PDF des Urteils und seiner Begründung ist hier abrufbar: https://openjur.de/u/2470418.ppdf

Datenschutz in Vereinen: Umgang mit Mitgliederdaten

Urteil des OLG Hamm: Wann überwiegt der Datenschutz den berechtigten Interessen zur Herausgabe von Adress-Daten?

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