Als Datenschutzbeauftragter mit über 30 Jahren Erfahrung im Direktmarketing und Fundraising habe ich in den letzten Monaten die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) aufmerksam verfolgt. Es ist offensichtlich: KI ist kein Hype! KI verändert unsere Arbeit bereits heute grundlegend und ist Teil der Arbeit in mehr als einem Drittel der Büroarbeitsplätze. Hier geht’s also um KI und Datenschutz.

In diesem umfassenden Beitrag betrachte ich fünf zentrale KI-Technologien

– und ihre Auswirkungen auf den Datenschutz. Ich beleuchte spezifische Anwendungen im Non-Profit-Sektor, diskutiere potenzielle Datenschutzrisiken und stelle praktische Lösungsansätze vor. Abschließend führe ich das Konzept des Privacy-Preserving Machine Learning (PPML) oder privatshärenfreundliches maschinelles Lernen ein, das verschiedene Techniken zur Wahrung der Privatsphäre in KI-Systemen vereint.

1. Machine Learning (ML)

Was ist Machine Learning?

Machine Learning ist ein Teilbereich der KI, bei dem Computersysteme aus Daten lernen und Muster erkennen, ohne explizit programmiert zu werden. ML-Algorithmen verbessern ihre Leistung automatisch durch Erfahrung und Datenanalyse.

Anwendung

Im Fundraising wird ML beispielsweise eingesetzt, um Spendermuster zu erkennen und Vorhersagen über zukünftiges Spenderverhalten zu treffen. Ein konkretes Beispiel wäre ein ML-Modell, das basierend auf historischen Spenderdaten vorhersagt, welche Spender mit höherer Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Kampagne reagieren werden.

Datenschutzimplikationen

2. Natural Language Processing (NLP)

Was ist Natural Language Processing?

Natural Language Processing ist ein Zweig der KI, der sich mit der Interaktion zwischen Computern und menschlicher Sprache befasst. NLP-Systeme sind darauf ausgelegt, menschliche Sprache zu verstehen, zu interpretieren und zu generieren.

Anwendung

NLP findet Anwendung in Chatbots für die Spenderbetreuung und bei der Textanalyse in der Spenderkommunikation. Beispielsweise können NLP-Systeme eingehende E-Mails analysieren, um Stimmungen zu erfassen oder dringende Anfragen zu priorisieren.

Datenschutzimplikationen

  1. a) Verarbeitung sensibler persönlicher Informationen:
  1. b) Profilbildung:

Lösungsansätze

  1. Datenschutz durch Technikgestaltung (Privacy by Design) in NLP-Systemen:
    • Implementierung von Datenminimierungstechniken: Nur die für die spezifische Aufgabe notwendigen Daten verarbeiten.
    • Einsatz von Anonymisierungs- und Pseudonymisierungstechniken: Personenbezogene Daten vor der Verarbeitung unkenntlich machen.
    • Entwicklung von Mechanismen zur automatischen Erkennung und Filterung sensibler Informationen.
  2. Klare Richtlinien für die Speicherung und Verwendung von durch NLP gewonnenen Erkenntnissen:
    • Festlegung von Speicherfristen: Regelmäßige Löschung nicht mehr benötigter Daten.
    • Zugriffskontrollen: Strikte Begrenzung des Zugriffs auf NLP-generierte Erkenntnisse.
    • Dokumentation der Datenverarbeitungsprozesse: Nachvollziehbarkeit der Datenflüsse sicherstellen.
  3. Transparente Information der Nutzer über den Einsatz von NLP-Technologien:
    • Klare und verständliche Datenschutzerklärungen: Detaillierte Informationen über die Verwendung von NLP-Technologien bereitstellen.
    • Opt-in-Mechanismen: Nutzer aktiv um Erlaubnis für die Verarbeitung ihrer Daten durch NLP-Systeme bitten.
    • Bereitstellung von Kontrollmöglichkeiten: Nutzer sollten die Möglichkeit haben, der Verarbeitung ihrer Daten durch NLP-Systeme zu widersprechen oder diese einzuschränken.
  4. Regelmäßige Audits und Überprüfungen:
    • Durchführung von Datenschutz-Folgenabschätzungen: Regelmäßige Bewertung der Risiken und Anpassung der Schutzmaßnahmen.
    • Schulung der Mitarbeiter: Regelmäßige Schulungen zum Umgang mit NLP-Systemen und den daraus resultierenden Datenschutzanforderungen.
    • Externe Überprüfungen: Unabhängige Experten zur Bewertung der Datenschutzmaßnahmen heranziehen.
  5. Entwicklung ethischer Richtlinien für den Einsatz von NLP:
    • Festlegung von Grenzen: Klare Definition, welche Arten von Analysen und Profilerstellungen zulässig sind.
    • Einrichtung eines Ethik-Komitees: Überwachung und Beratung bei ethischen Fragen im Zusammenhang mit NLP-Anwendungen.
    • Regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Richtlinien: Sicherstellung der Aktualität angesichts technologischer Entwicklungen.

 

3. Computer Vision

Was ist Computer Vision?

Computer Vision ist ein Bereich der KI, der sich damit befasst, wie Computer visuelle Informationen aus der realen Welt gewinnen und verarbeiten können.

Anwendung

Computer Vision wird beispielsweise in medizinischen Studien oder bei der Auswertung von Veranstaltungsfotos eingesetzt.

Datenschutzimplikationen

Lösungsansätze

4. Künstliche Neuronale Netze

Was sind Künstliche Neuronale Netze?

Künstliche Neuronale Netze sind von der Struktur des menschlichen Gehirns inspirierte Computermodelle. Sie bestehen aus miteinander verbundenen “Neuronen”, die Informationen verarbeiten und weitergeben. Diese Netze können komplexe Muster erkennen und sind besonders gut für Aufgaben wie Klassifizierung und Vorhersage geeignet.

Anwendung

Künstliche Neuronale Netze werden für komplexe Entscheidungsfindungen eingesetzt, etwa in der Personalauswahl oder bei der Ressourcenallokation. Ein spezifisches Beispiel im Non-Profit-Bereich könnte die Verwendung eines neuronalen Netzes zur Optimierung von Spendenkampagnen sein, indem es die effektivsten Kommunikationskanäle und -inhalte für verschiedene Spendergruppen vorhersagt.

Datenschutzimplikationen

  1. a) Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen:

• Die “Black Box”-Natur vieler neuronaler Netze erschwert die Erfüllung des “Rechts auf Erklärung” gemäß DSGVO.

• Beispiel: Wenn ein neuronales Netz entscheidet, einen Spender nicht in eine Kampagne einzubeziehen, könnte es schwierig sein, diese Entscheidung nachvollziehbar zu erklären.

b) Datenschutz durch Technikgestaltung:

• Es ist eine Herausforderung, Prinzipien wie Datenminimierung in komplexe Netzarchitekturen zu integrieren.
• Beispiel: Ein neuronales Netz zur Spenderanalyse könnte tendenziell mehr Daten verarbeiten als tatsächlich für die Aufgabe notwendig sind, was dem Prinzip der Datenminimierung widerspricht.

Lösungsansätze

5. Expertensysteme

Was sind Expertensysteme?

Expertensysteme sind KI-Programme, die das Wissen und die Schlussfolgerungsfähigkeiten menschlicher Experten in einem bestimmten Bereich nachahmen. Sie bestehen aus einer Wissensbasis und einem Inferenzmechanismus (die Komponente, die logische Schlüsse aus den in der Wissensbasis gespeicherten Informationen zieht), der dieses Wissen anwendet, um Probleme zu lösen oder Fragen zu beantworten.

Anwendung

Expertensysteme finden Anwendung in der wissensbasierten Entscheidungsunterstützung, beispielsweise in der Rechtsberatung oder im Compliance-Bereich. Ein konkretes Beispiel im Non-Profit-Sektor könnte ein Expertensystem sein, das Organisationen bei der Einhaltung komplexer Förderrichtlinien unterstützt oder Empfehlungen für die optimale Strukturierung von Hilfsprojekten gibt.

Datenschutzimplikationen

  1. a) Sicherstellung der Datenqualität und -integrität:
  1. b) Zugriffskontrolle:

Lösungsansätze

  1. Implementierung robuster Datenqualitätsmanagement-Systeme:
    • Entwicklung automatisierter Prozesse zur regelmäßigen Überprüfung und Aktualisierung der Wissensbasis
    • Implementierung von Validierungsmechanismen für eingehende Daten
    • Einrichtung eines Feedback-Systems, das Nutzer ermutigt, mögliche Fehler oder Ungenauigkeiten zu melden
  2. Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Wissensbasis:
    • Etablierung eines strukturierten Prozesses zur regelmäßigen Überprüfung und Aktualisierung der Expertensysteme
    • Einbeziehung von Fachexperten zur Validierung und Aktualisierung des Wissens
    • Implementierung von Versionierungssystemen, um Änderungen nachvollziehbar zu machen
  3. Strenge Zugriffskontrollmechanismen und Protokollierung von Zugriffen:
    • Implementierung eines mehrstufigen Authentifizierungssystems für den Zugriff auf Expertensysteme
    • Einrichtung granularer Zugriffsrechte basierend auf Rollen und Verantwortlichkeiten
    • Detaillierte Protokollierung aller Zugriffe und Aktivitäten im System
  4. Transparenz und Erklärbarkeit der Entscheidungen:
    • Entwicklung von Mechanismen, die die Entscheidungswege des Expertensystems nachvollziehbar machen
    • Bereitstellung detaillierter Erklärungen für jede Empfehlung oder Entscheidung des Systems
    • Implementierung von “wenn-dann”-Analysen, die es Nutzern ermöglichen, die Auswirkungen verschiedener Eingaben zu verstehen
  5. Datenschutz-Folgenabschätzung und kontinuierliches Monitoring:
    • Durchführung umfassender Datenschutz-Folgenabschätzungen vor der Implementierung von Expertensystemen
    • Etablierung eines kontinuierlichen Monitoring-Prozesses zur Erkennung potenzieller Datenschutzrisiken
    • Regelmäßige Audits durch interne und externe Datenschutzexperten

 

Übergreifendes Konzept: Privacy-Preserving Machine Learning (PPML)

Zum Abschluss meiner Betrachtung einzelner Technologien und Methoden stelle ich ein übergreifendes Konzept vor, das viele der bisher diskutierten Ansätze vereint: Privacy-Preserving Machine Learning (PPML).

PPML ist ein Forschungs- und Anwendungsgebiet, das darauf abzielt, Methoden des maschinellen Lernens zu entwickeln und einzusetzen, die effektiv sind, ohne dabei die Privatsphäre der in den Daten repräsentierten Individuen zu gefährden.

Was ist Privacy-Preserving Machine Learning?

Kernelemente von PPML:

  1. Differential Privacy:
    • Wie bereits besprochen, fügt diese Technik kontrolliertes “Rauschen” zu Daten oder Ergebnissen hinzu, um einzelne Datenpunkte zu schützen.
  2. Federated Learning:
    • Ermöglicht das Training von Modellen auf verteilten Datensätzen, ohne dass diese zentral zusammengeführt werden müssen.
  3. Secure Multi-Party Computation (SMPC):
    • Erlaubt gemeinsame Berechnungen zwischen mehreren Parteien, ohne dass diese ihre individuellen Daten offenlegen müssen.
  4. Homomorphe Verschlüsselung:
    • Eine fortgeschrittene Verschlüsselungstechnik, die Berechnungen auf verschlüsselten Daten ermöglicht, ohne diese zu entschlüsseln.
  5. Anonymisierung und Pseudonymisierung:
    • Techniken zur Entfernung oder Verschleierung personenbezogener Informationen in Datensätzen.

Anwendungsbeispiel im Non-Profit-Bereich:

Stellen wir uns vor, mehrere Hilfsorganisationen möchten ihre Erfahrungen und Daten nutzen, um ein KI-Modell zu trainieren, das die Effektivität von Hilfsprogrammen vorhersagt. Mit PPML-Techniken könnten sie:

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven:

Als Datenschutzbeauftragte müssen wir diese Entwicklungen im Auge behalten und aktiv an der Integration von PPML-Techniken in KI-Projekte mitwirken. So können wir sicherstellen, dass innovative KI-Lösungen entwickelt werden, ohne dabei den Schutz personenbezogener Daten zu gefährden.

Fazit und Ausblick

Die vorgestellten KI-Technologien bieten enorme Chancen für Unternehmen und Non-Profit-Organisationen. Gleichzeitig stellen sie uns vor neue datenschutzrechtliche Herausforderungen. Als Datenschutzbeauftragte müssen wir:

  1. Gründliche Datenschutz-Folgenabschätzungen für KI-Systeme durchführen
  2. Transparenz und Erklärbarkeit von KI-Entscheidungen sicherstellen
  3. Datenschutz durch Technikgestaltung (Privacy by Design) in KI-Entwicklungen integrieren
  4. Ethische Richtlinien für den KI-Einsatz entwickeln und durchsetzen
  5. Regelmäßige Audits und Überprüfungen von KI-Systemen durchführen

Die Entwicklung von KI schreitet rasant voran, und es ist wichtig, dass wir als Datenschutzexperten Schritt halten. Nur so können wir sicherstellen, dass die Vorteile dieser Technologien genutzt werden, ohne die Privatsphäre und die Rechte der Betroffenen zu gefährden.

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Zur, manchmal schwierigen, Beziehung zwischen KI und Datenschutz geht’s hier.

Warum jede NGO (und jedes Unternehmen) ein KI-Audit benötigt, wenn mit KI personenbezogene Daten verarbeitet werden und warum das (fast) immer passiert, erfahren Sie hier.

 

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